Am 18. Mai 2021 erschien ein Interview mit mir im Ammersee Kurier. Der Journalist Michael Fuchs-Gamböck hatte mir per eMail einige Fragen geschickt, die ich ihm schriftlich beantwortete.
Im veröffentlichten Artikel ging es hauptsächlich über KUNST am BERG und unser solidarisches Netzwerk für Künstlerinnen und Künstler der Region.
Der Artikel erschien ein weiteres Mal am 10. Juni 2021 mit einer besseren Überschrift in einem Lokalteil der Augsburger Allgemeinen, dem Landsberger Tagblatt:
Den ungekürzten Text können Sie bei Interesse HIER lesen.
Die Wiedergeburt des Ornamentalen
Zur abstrakt-ornamentalen Malerei von Susanne Hauenstein
Von Dr. Hajo Düchting
Ornament heute – was kann das für uns – als Künstler - als Betrachter bedeuten? Der Ursprung des Ornaments liegt weniger im islamischen Bilderverbot – dort fand es einen ideologischen Nährboden -
als in der archaischen Tendenz des Menschen zu Schmuck, zu Ausschmückung, zu Verschönerung seines natürlichen Ambientes. Das beginnt bereits in der steinzeitlichen Höhlenmalerei, wo die Wände der
Höhlen dicht an dicht mit Symbolen und Zeichen – meist zu Zwecken des Jagdzaubers – ausgemalt worden sind. Einige Wände sind dabei mit Handabdrücken versehen worden, die ein beschwörendes
all-over-Muster an die Wand werfen, wie es viel später der Abstrakte Expressionismus (Pollock) auf Leinwand nachvollzogen hat. In den frühen Hochkulturen des mesopotamischen und des ägyptischen
Raums erreicht das Ornament seinen ersten Höhepunkt. Es verknüpfen und durchdringen sich abstrakte und gegenständliche Zeichen zu einer komplexen Zeichensprache, die dem damaligen Menschen die
Herrschaft des Numinosen, aber auch die eigene Kulturleistung verständlich machen sollte. Viel später übernahm der islamische Bereich ornamentale Gestaltungsweisen, um seinerseits einem im
menschlichen Unbewußten tief verwurzelten Schmuckbedürfnis Ausdruck zu verleihen. Ist das Ornament in der Kultur des Nahen Ostens bis heute wesentlicher Bestandteil der künstlerischen
Ausdruckskraft, so wurde es in der westlichen, aber auch russisch-orthodoxen Kultur durch die Einführung des Christentums verdrängt, um abbildenden Ausdrucksformen den Vorzug zu geben. Das
Göttliche erhielt ein Gesicht!
Ornamentale Gestaltung hatte nur noch Platz in der Architektur, im Kunstgewerbe, in der Fenstergestaltung, im Teppichentwurf. Der Jugendstil versuchte zum letzten Mal das Ornament wieder in die
Hochkultur einzubinden, bis puristische Strömungen (Wiener Moderne, Bauhaus) diese Versuche endgültig als unzeitgemäß, unmodern, untypisch in den Bereich des Kunstgewerbes zurückdrängten. Der
Siegeszug der abstrakten Kunst nach 1945 schien das Schicksal des Ornaments als Teilbereich des Kitsches endgültig besiegelt zu haben, auch wenn einige wenige Künstler an ornamentalen
Schmuckformen in ihren Bildern festhielten (z.B. Wiener Schule, Ernst Fuchs).
In den Bildern von Susanne Hauenstein feiert die ornamentale Gestaltung seine Auferstehung, weniger im Sinne einer dekorativen Ordnung des Bildfeldes als in wild wuchernden, grell-bunten sich
überkreuzenden, durchdringenden Reihenmustern, deren Vielfalt und Erfindungsgeist verblüffen. Für die Künstlerin, die das ganze Gebiet der Ornamentik im Blick hat, ist es nicht mehr möglich, eine
einfache rhythmische Ordnung durch das Ornament herzustellen, da wir heute von einem a-perspektivischen Weltbild (nach Jean Gebser) ausgehen müssen. Das heutige Leben ist zu widersprüchlich, zu
komplex, zu divergent und vielfältig geworden, um in einfachen Rhythmen widergespiegelt werden zu können. In ihren neuen Bildern (z.B. she and he, 2009-10) durchdringen sich verschiedenste
ornamentale Muster zu einem unentwirrbaren Ganzen, in dem auch gegenständliche Formen Gestalt annehmen, um sich aber gleich wieder – im nächsten Augen-Blick - im Ganzen des ornamentalen Bildfelds
aufzulösen bzw. einzugliedern. So möchte die Malerin die ganze Fülle des Lebens in einem „ewigen Tanz pulsierender Kräfte, die sich anziehen und abstossen, die miteinander schwingen, sich zu
größeren Gebilden/Gemeinschaften verbinden“ darstellen.
„Nirgends ist Nichts. Immer und überall ist irgendetwas. Alle schwingt. Alles fließt. Alles tanzt den verrückten, rätselhaften Lebenstanz. Miteinander, gegeneinander. Am Ende immer für einander.“
(Hauenstein)
Wer das für die fantasievolle Ausgeburt einer esoterisch veranlagten Elfenbeintürmlerin hält, liegt falsch! Denn auch die Naturwissenschaften haben längst die Verknüpfung immer kleinerer Teilchen
(sog. Gottesteilchen) zu einem sich gegenseitig tragenden, immerwährenden Tanz der Teilchen, einer allem Sein zugrundeliegenden Matrix, entdeckt und erforscht.
Der Mensch ist Teil einer übergreifenden kosmischen Ordnung, deren Rhythmen das Weltall bis in die entlegenste Stelle durchdringen.
So müssen wir heute Ornament als Ausdruck einer Suche nach diesen kosmischen Rhythmen begreifen! Und Susanne Hauenstein ist an der Spitze einer neuen Kunstform, die diese zunächst emotional
erspürte, aber auch mental begriffene Gewissheit einer alles durchdringenden numinosen Kraft künstlerisch ausdrücken möchte.
Ornament ist nicht Chaos sondern Kosmos, zumindest in den Bildern von Susanne Hauenstein!
Dr. Hajo Düchting, Diessen im November 2015
Danke, Hajo!
Hajo Düchting (1949 - 2017) war ein deutscher Kunsthistoriker, Autor, Maler, Museumspädagoge und Kunstdozent
Susanne Hauenstein
Bildende Künstlerin, Dozentin für Malerei
Bergfeiler Weg 4, 82346 Andechs/Erling
Telefon 0049 - (0)8152 - 3287
Alle Bilder und Fotos: VG Bild-Kunst, Bonn
Alle Texte: Susanne Hauenstein oder angegebene Autoren
Gerne lade ich Sie zu meiner nächsten Ausstellung ein.
Bitte schicken Sie mir eine eMail, dann nehme ich Sie in meinen Verteiler auf.
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